Nur auf Sumatra und Borneo können die Orang-Utans (Orang = Mensch, hutan = Wald) noch in freier Wildbahn angetroffen werden. Die rücksichtslose Entwaldung hat sich leider äußerst negativ auf die Population der Affen ausgewirkt und schon lange stehen sie auf der Liste der gefährdeten Arten, denn der natürliche Lebensraum der sanften Riesen hat sich drastisch verkleinert. Und auch die illegale Jagd auf die Säugetiere trägt dazu bei, dass immer weniger Orang-Utans in der freien Wildbahn anzutreffen sind. Daher ist die Frage, ob die Primaten nur noch in Naturschutzgebieten eine Überlebenschance haben, durchaus berechtigt. Die rothaarigen Waldbewohner werden gefangen, getötet und aus ihrem natürlichen Lebensraum vertrieben. Und besonders Jungtiere sind begehrt, sie werden in Südostasien als exotische Haustiere gehalten, das Muttertier ist für die Jäger nicht brauchbar und wird getötet. Biruté M. Galdikas’ Arbeit ist somit umso wichtiger, um diese faszinierenden Wesen zu schützen.
Von Java aus kann Pangkalan Bun in Kalimantan bequem mit dem Flugzeug erreicht werden, allerdings sollte der Individualreisende sich vor der Buchung über die einzelnen Fluggesellschaften und ihre Maschinen erkundigen, denn sonst kann es durchaus passieren, dass man in einer ausgedienten 737 die Reise zu den Waldmenschen antritt und zwischen den Fensterscheiben auch schon mal eine Spinne beobachten kann, die munter dort entlangkrabbelt. Bevor aber nach der Landung der Weg in den Regenwald angetreten werden kann, muss zunächst eine bürokratische Hürde genommen werden. Auf dem Polizeirevier in Pangkalan Bun muss sich jeder zunächst registrieren lassen, was nach ein paar sprachlichen Hürden erstaunlich gut klappt.
Erst dann geht es weiter in das kleine Städtchen Kumai: das Tor in den Dschungel. Bei all der Euphorie sollte der Borneobesucher allerdings beachten, dass man sich in Kumai in aller Ruhe nach möglichen Touren erkundigen sollte. Mit einem sogenannten Klotok, einem Hausboot, kann dann die Reise angetreten werden. Aber auch hier sollte sich der abenteuerlustige Reisende auf alle möglichen unvorhersehbaren Ereignisse einrichten. So kann es etwa passieren, dass das Klotok noch kurz vor der Fahrt repariert werden muss und man sich sodann in dem Wohnzimmer des Bootbesitzers wiederfindet, von seinen Familienmitgliedern freundlich angestrahlt wird und mit einer braunen Flüssigkeit, Jamu – herbal medicine, very good, versorgt wird. Bei 38 Grad und 80% Luftfeuchtigkeit dann doch eine willkommene Abkühlung. Wenn aber dann die Fahrt beginnt, befindet man sich schon bald im grünen Dickicht des Regenwalds wieder. Die nächsten Tage werden unvergesslich. Stromaufwärts schippert das Boot auf dem Sekonyer Fluss gen Dschungel und wird, mit viel Glück, von Flussdelfinen begleitet. Schon nach kurzer Zeit begrüßen Nasenaffen, die es nur auf Borneo gibt, einen mit Gebrüll. Auf der Fahrt wird der Reisende verschiedene Camps im Park besuchen. In den beiden Camps Tanjung Harapan und Pondok Tanggui sind die Orang-Utans bereits so weit ausgewildert, dass hier von semi-wilden und wilden Primaten gesprochen wird. In diesen Camps werden sie lediglich noch gefüttert. Abstand zu den Primaten zu halten, ist daher äußerst wichtig, denn von Menschen haben sie sich weitestgehend schon entwöhnt. Sich einem Orang-Utan in den Weg zu stellen, ist folglich nicht sehr ratsam, denn auch wenn die Affen als äußerst friedfertig gelten, so sind sie dem Menschen körperlich deutlich überlegen. Die Weibchen sind immerhin viermal so stark wie ein Mensch, Männchen sogar achtmal!Man sollte es sich also nicht mit einem Orang-Utan verscherzen. Auch sollten bei den vorherrschenden Klimabedingungen die Wanderungen nicht unterschätzt werden, eine halbe Stunde zu einer Fütterungsstelle zu wandern, gleicht dabei Höchstleistungssport. Den ersten Abend auf dem Boot wird jeder Regenwaldbesucher daher mit Sicherheit gut schlafen, und unter dem Moskitonetz an Deck begleitet die nächtliche Geräuschkulisse des Regenwaldes die Abenteurer in ihren Schlaf. Die letzte Station – oder erste, je nachdem, wie die Tour begonnen wird –, die das Klotok erreicht, ist Camp Leaky.
Camp Leakey dient in erster Linie der ersten Stufe der Auswilderung der Orang-Utans – und als Heimat der Affen, die nicht mehr ausgewildert werden können, etwa aufgrund des Alters –, sodass die Menschenaffen hier teilweise noch sehr an den Menschen gewöhnt sind. Das beweist unter anderem eine betagte Orang-Utan-Dame namens Princess – die etliche Wörter in Zeichensprache beherrscht –, die jeden Besucher nach leckeren Nüssen durchsucht.
Dr. Tanja Lindauer, Journalistin und Schlussredakteurin, lebt und arbeitet in Berlin. Sie wird von ständigem Fernweh geplagt und bereist mit dem Rucksack die Welt.
Zwar wird der Campbesucher immer wieder darauf hingewiesen, die Tiere nicht zu füttern oder zu berühren, doch haben die Orang-Utans da teilweise ihren ganz eigenen Kopf und gehen doch all zu gerne auch einmal mit den Camp-Besuchern auf Tuchfühlung. Vielleicht versteckt sich ja in den Taschen eine kleine Leckerei? Die Reise zu den Orang-Utans ist sicherlich mit einigen Hürden verbunden, wenn man sie als Individualreisender in Angriff nimmt, doch wird man mit einem unvergesslichen Erlebnis und mit Einblicken in die faszinierende Natur unseres Planeten belohnt.