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Zu Besuch bei den Tana Toraja auf Sulawesi

Beerdigungszeremonie der Tana Toraja, Sulawesi

Die Beerdigungszeremonie der Tana Toraja ist gerade in vollem Gange und für westliche Besucher erst einmal ungewöhnlich

Rantepao im Zentralhochland Sulawesis. Wir haben eine sieben-stündige Fahrt aus dem gerade einmal 173km entfernten Ort Pare Pare hinter uns. Das sagt etwas über die Qualität der Straßen in der Region, vor allem aber über die Entlegenheit unseres Zielorts aus. Hierher kommen Touristen, die sich für üppige Natur und anspruchsvolle Wanderrouten begeistern. Für ein ganz besonderes Volk jedoch reisen auch Ethnologen und Kulturwissenschaftler aus aller Welt an: die Tana Toraja. Indonesien besteht aus über 17.000 Inseln. Mehr als 300 verschiedene Volksgruppen verteilen sich im Inselstaat. Die Toraja gehören zwar überwiegend dem Christentum an, allerdings sind animistische Traditionen erhalten geblieben.

Was die Toraja unter anderem kennzeichnet ist, verkürzt ausgedrückt, ihre Einstellung zum Leben. Und zum Tod. Das Leben auf der Erde wird als Übergangsstation auf dem Weg in das Jenseits angesehen. In diesem Zusammenhang sind die Beerdigungsrituale sehr wichtig, sie ebnen dem Verstorbenen den Weg ins Jenseits. Bis die aufwendige Beerdigungszeremonie jedoch organisiert ist, können manchmal Jahre vergehen. In der Zwischenzeit verweilt der, nach unserem Verständnis tote Leichnam, noch im Haus der Familie und gilt lediglich als krank.

Viehmarkt der Tana Toraja, Sulawesi

Die Geschenke für die Beerdigungszeremonie der Tana Toraja werden zuvor auf dem Viehmarkt erworben

Die Beerdigungszeremonien ziehen sich bisweilen über mehrere Tage, manchmal Wochen, hin. Wir haben sechs Tage im Gebiet der Toraja eingeplant und hatten die Hoffnung im Gepäck, einmal einer solchen Zeremonie beiwohnen zu dürfen. Naturgemäß stellen wir uns vorher ein paar Fragen: Hat man als Fremder überhaupt Zugang zu solch einem Ritual? Ist es angemessen einem solch intimen Moment einer fremden Familie beizuwohnen? Und darüber hinaus: Wird sich die Gelegenheit auftun, eine reale Zeremonie zu besuchen oder hat sich inzwischen eine Art touristische Parallelveranstaltung herausgebildet? Leider viel zu oft gesehen: Folkloreshows, bei denen der westliche Besucher unter einer Darbietung leidet, die nichts mehr mit Realität zu tun hat, sondern vielmehr mit der Vorführung des Fremden kokettiert. Was immer so nebenbei mitschwingt und derartige Veranstaltungen unerträglich macht ist ein kolonialistisch geprägter Rassismus: Wir, die Zivilisierten, schauen uns jetzt mal die rückständigen Rituale dieser liebenswerten Wilden an.

Über eine Empfehlung stellen wir Kontakt zu Mali her. Mali ist eine Toraja, spricht Englisch und hat schon viele interessierte Touristen zu Beerdigungszeremonien der Toraja geführt. Wir treffen sie in der Lobby eines Gasthauses. Sie telefoniert ein paar Mal und überbringt uns die Botschaft: Schon morgen findet eine Zeremonie in einem Dorf, nur wenige Kilometer außerhalb Rantepaos, statt. Wir sollen sie am nächsten Morgen in der Lobby treffen. Es ziemt sich, der Familie des Verstorbenen ein Gastgeschenk zu überreichen. In unserem Fall sei eine Stange Zigaretten angemessen. Dann hat sie noch einen Ratschlag: „zieht euch dunkle Klamotten an“.

Frauen in Tracht, Tana Toraja, Sulawesi

Zwei Frauen in traditioneller Tracht

Wir starten den Tag auf dem Wochenmarkt in Rantepao. Das Warenangebot hier besteht in erster Linie aus lebendigen Tieren. Hinterbliebene Freunde und Verwandte schenken der Familie des Verstorbenen Büffel oder Schweine. Dahinter steckt ein raffiniertes soziales System: Büffel sind sehr teuer und stellen eine Art Wertanlage dar. Die beschenkte Familie erhält bei der Zeremonie, je nach Status, Büffel von sehr hohem Wert. Sie steht fortan in der Schuld diese Geschenke zurückzugeben, sobald ein Verwandter der Schenkenden verstirbt. Je nach Größe, Struktur der  Hörner oder Augenfarbe kann ein Büffel mehrere tausend US-Dollar wert sein. Mali erzählt uns den gängigen Scherz, wenn ein Büffel geschlachtet wird: „Wieder einen Toyota verloren…“

Der Spaziergang über den Markt erfordert in erster Linie Mut. Wir stapfen durch ein riesiges Feld, die mächtigen Büffel stehen eng beieinander, während wir uns den Weg hindurch bahnen. Ein besonders wertvolles Exemplar, ein weißer Albinobüffel, wird streng von seinem Besitzer bewacht. Auch die Schweine sehen anders aus als in meiner Vorstellung. Sie haben schwarzes borstiges Fell und sind um ein vielfaches größer. Es bedarf der Kraft von vier Männern, ein heftig quiekendes Exemplar auf ein Moped zu binden.

Die Zeremonie ist bereits in vollem Gange als wir eintreffen. Wie in einer Arena blicken wir auf das Geschehen im Zentrum. Wir müssen erstmal schlucken: Ein abgetrennter Büffelkopf liegt auf der Erde, die Luft riecht nach Blut. Es werden einige Schweine hereingeführt. Der Moderator verkündet durch ein Megafon, von wem die Geschenke stammen und sprüht den Tieren die Initialen des Schenkers auf. Diese Prozedur wiederholt sich unzählige Male. Ein überdimensionales Bild der verstorbenen Frau scheint über das Treiben zu wachen. Sie muss sehr wohlhabend gewesen sein, schnell verliere ich den Überblick, wie viele Schweine und Büffel ihre Familie geschenkt bekommt. Diese muss nun abwägen, welche Tiere geschlachtet werden. Ökonomisch ist es natürlich sinnvoll die teuren Tiere am Leben zu lassen, es gilt allerdings auch als noble Geste den Gästen frisch geschlachtete Büffel und Schweine zu servieren.

Tiere auf dem Weg zur Schlachtung, Zeremonie Tana Toraja, Sulawesi

Einige der Tiere die zuvor als Geschenk überbracht wurden, werden für das Festmahl geschlachtet

Man muss schon hartgesotten sein, um das Treiben am Rande des Festes zu ertragen. Tiere werden vor den Augen der Umstehenden geschlachtet, was ja letztlich ein Vorgang ist, der bei uns aus dem öffentlichen Raum verbannt wurde. Besonders das offensichtliche Leid der Schweine, die sich winden und lautstark nach Erlösung schreien, ist für uns schwer erträglich. Ein paar Touristen halten ihre Kameras drauf, als befänden sie sich im Wettbewerb um das blutrünstigste Foto.

Als wir bereits gehen wollen, macht das Gerücht die Runde, man werde noch einen Büffelkampf abhalten. Und so kommt es: Wenig später finden wir uns, gemeinsam mit unzähligen anderen Gästen, auf einem Feld wieder. Zwei Büffel werden hereingeführt. Die Lautstärke ist ohrenbetäubend, die Menge johlt. Die beiden Büffel verkeilen ihre Hörner, nur wenige Sekunden später rennt der eine davon. Damit ist seine Niederlage besiegelt.

Stefan Krieger
Stefan Krieger, studierter Sprach-wissenschaftler und Reiseblogger. Hat sich im Sommer 2013 vorüber-gehend aus Deutschland verabschiedet und bereist seitdem den Globus.


Im Tuk Tuk fahren wir zurück Richtung Rantepao. Unsere Sorge, eine touristische Veranstaltung zu besuchen, war unbegründet. Die Zeremonie war real, die Gäste beinahe vollständig Freunde und Verwandte. Für uns war es ein vorübergehender Einblick in eine durchweg fremde Kultur.

Richtig verstehen, von Grund auf begreifen, können wir das Gesehene nicht. Dazu reicht ein Kurzbesuch nicht aus. Aber wir haben Impressionen gesammelt, die uns nachdenklich machen über den tabuisierten Umgang mit dem Sterben in Deutschland. Der Gedanke, nach dem Tod in ein Jenseits überzutreten, das lebenswerter als die Erde ist, ist durchaus reizend.

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