
Die Beerdigungszeremonie der Tana Toraja ist gerade in vollem Gange und für westliche Besucher erst einmal ungewöhnlich
Was die Toraja unter anderem kennzeichnet ist, verkürzt ausgedrückt, ihre Einstellung zum Leben. Und zum Tod. Das Leben auf der Erde wird als Übergangsstation auf dem Weg in das Jenseits angesehen. In diesem Zusammenhang sind die Beerdigungsrituale sehr wichtig, sie ebnen dem Verstorbenen den Weg ins Jenseits. Bis die aufwendige Beerdigungszeremonie jedoch organisiert ist, können manchmal Jahre vergehen. In der Zwischenzeit verweilt der, nach unserem Verständnis tote Leichnam, noch im Haus der Familie und gilt lediglich als krank.

Die Geschenke für die Beerdigungszeremonie der Tana Toraja werden zuvor auf dem Viehmarkt erworben
Über eine Empfehlung stellen wir Kontakt zu Mali her. Mali ist eine Toraja, spricht Englisch und hat schon viele interessierte Touristen zu Beerdigungszeremonien der Toraja geführt. Wir treffen sie in der Lobby eines Gasthauses. Sie telefoniert ein paar Mal und überbringt uns die Botschaft: Schon morgen findet eine Zeremonie in einem Dorf, nur wenige Kilometer außerhalb Rantepaos, statt. Wir sollen sie am nächsten Morgen in der Lobby treffen. Es ziemt sich, der Familie des Verstorbenen ein Gastgeschenk zu überreichen. In unserem Fall sei eine Stange Zigaretten angemessen. Dann hat sie noch einen Ratschlag: „zieht euch dunkle Klamotten an“.

Zwei Frauen in traditioneller Tracht
Der Spaziergang über den Markt erfordert in erster Linie Mut. Wir stapfen durch ein riesiges Feld, die mächtigen Büffel stehen eng beieinander, während wir uns den Weg hindurch bahnen. Ein besonders wertvolles Exemplar, ein weißer Albinobüffel, wird streng von seinem Besitzer bewacht. Auch die Schweine sehen anders aus als in meiner Vorstellung. Sie haben schwarzes borstiges Fell und sind um ein vielfaches größer. Es bedarf der Kraft von vier Männern, ein heftig quiekendes Exemplar auf ein Moped zu binden.
Die Zeremonie ist bereits in vollem Gange als wir eintreffen. Wie in einer Arena blicken wir auf das Geschehen im Zentrum. Wir müssen erstmal schlucken: Ein abgetrennter Büffelkopf liegt auf der Erde, die Luft riecht nach Blut. Es werden einige Schweine hereingeführt. Der Moderator verkündet durch ein Megafon, von wem die Geschenke stammen und sprüht den Tieren die Initialen des Schenkers auf. Diese Prozedur wiederholt sich unzählige Male. Ein überdimensionales Bild der verstorbenen Frau scheint über das Treiben zu wachen. Sie muss sehr wohlhabend gewesen sein, schnell verliere ich den Überblick, wie viele Schweine und Büffel ihre Familie geschenkt bekommt. Diese muss nun abwägen, welche Tiere geschlachtet werden. Ökonomisch ist es natürlich sinnvoll die teuren Tiere am Leben zu lassen, es gilt allerdings auch als noble Geste den Gästen frisch geschlachtete Büffel und Schweine zu servieren.

Einige der Tiere die zuvor als Geschenk überbracht wurden, werden für das Festmahl geschlachtet
Als wir bereits gehen wollen, macht das Gerücht die Runde, man werde noch einen Büffelkampf abhalten. Und so kommt es: Wenig später finden wir uns, gemeinsam mit unzähligen anderen Gästen, auf einem Feld wieder. Zwei Büffel werden hereingeführt. Die Lautstärke ist ohrenbetäubend, die Menge johlt. Die beiden Büffel verkeilen ihre Hörner, nur wenige Sekunden später rennt der eine davon. Damit ist seine Niederlage besiegelt.

Stefan Krieger, studierter Sprach-wissenschaftler und Reiseblogger. Hat sich im Sommer 2013 vorüber-gehend aus Deutschland verabschiedet und bereist seitdem den Globus.
Im Tuk Tuk fahren wir zurück Richtung Rantepao. Unsere Sorge, eine touristische Veranstaltung zu besuchen, war unbegründet. Die Zeremonie war real, die Gäste beinahe vollständig Freunde und Verwandte. Für uns war es ein vorübergehender Einblick in eine durchweg fremde Kultur.
Richtig verstehen, von Grund auf begreifen, können wir das Gesehene nicht. Dazu reicht ein Kurzbesuch nicht aus. Aber wir haben Impressionen gesammelt, die uns nachdenklich machen über den tabuisierten Umgang mit dem Sterben in Deutschland. Der Gedanke, nach dem Tod in ein Jenseits überzutreten, das lebenswerter als die Erde ist, ist durchaus reizend.